Geschichte und Forschung

Gründung

Der pfälzische Kurfürst Carl Theodor stand den Impulsen der Aufklärung aufgeschlossen gegenüber und gründete wissenschaftliche Einrichtungen. Bereits 1761 gab es eine provisorische Sternwarte in der Orangerie des Schwetzinger Schlossparks. Der Bau der Mannheimer Sternwarte wurde von dem Hofastronomen Christian Mayer initiert, geplant und überwacht. Silvester 1771 legte er dem Kurfürsten einen ausgearbeiteten Vorschlag mit Entwürfen zum Neubau einer Sternwarte vor. Mayer schlug einen Standort in der Nähe des Mannheimer Hofes vor - man wählte ein Grundstück hinter der Jesuitenkirche aus. Am 1. Oktober 1772 wurde der Grundstein für den Bau gelegt. Der italienische Architekt Rabaliatti und der Artillerie-Leutnant Johann Lacher setzten Mayers Vorstellungen um.

Astronomische Forschung an der Sternwarte

Das Hauptinteresse des ersten Astronoms an der Sternwarte Christian Mayer galt den Doppelsternen. Von den 1781 bekannten 79 Doppelsternen beobachtete Mayer allein 72 Doppelsterne. Er unterschied dabei optische und physische Sternenpaare, also Sonnen, die nicht nur optisch dicht nebeneinanderstehen, sondern sich auch umkreisen. Die Ergebnisse seiner Forschung veröffentlichte er 1777. Nach seinem Tod (1783) wurden seine Theorien dazu durch den deutsch-britischen Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel bestätigt.


Roger Barry wurde 1790 Hofastronom. Er befasste sich zum einen mit der Berechnung von Fixsternhöhen und seit 1805 mit der Berechnung der Zenitdistanzen der Hauptsterne im Tierkreis. Sein Ziel war die Erstellung eines neuen Sternenkatalogs, den er leider nicht vollendete. Als Barry 1813 in Mannheim starb, hinterließ er ca. 14.500 Rektaszensions- und Deklinationsbeobachtungen aus den Jahren 1807 bis 1811.

Wissenschaftliche Bedeutung erlangte auch der Astronom Friedrich Bernhard Gottfried Nicolai, der 1816 nach Mannheim kam. Er verbesserte die Beobachtungsmethode der Mondkulminationen. Außerdem führte er in der Sternwarte Berechnungen von Sternbedeckungen und Untersuchungen auf dem Gebiet der reinen Mathematik durch.


In den Jahren 1847 bis 1860 war die Sternwarte nicht besetzt. Durch den Einsatz des Bonner Astronomen Friedrich W. A. Argelander wurde 1860 die Astronomenstelle durch seinen Schüler Eduard Schönfeld wieder besetzt. Schönfeld forschte zu Sternhaufen und Nebelflecken. Sein Fachgebiet war die Erforschung der Positionen veränderlicher Sterne.

Der letzte Astronom auf der Sternwarte war Carl Wilhelm Friedrich Johann Valentiner.  Sein Spezialgebiet war die Ausmessung von Sternhaufen, zu denen er 1879 erste Forschungen publizierte.

Sternwarte nach 1880


Die Sternwarte als astronomische Forschungsstätte blieb mit einigen Unterbrechungen bis Mai 1880 in Betrieb. Nach dem Umzug der wissenschaftlichen Bibliothek und der astronomischen Geräte nach Karlsruhe war der Turm zunächst verwaist bis ihn die Stadt Mannheim 1881 für einen Kaufpreis von 37.000 Mark erwarb. Angedacht war eine Nutzung als Wasserturm. Als sich dieser Plan zerschlug, ließ die Stadt im damaligen 1. und 3. Geschoss städtische Bedienstete wohnen. Das Dach wurde als Aussichtspunkt (gegen eine kleine Gebühr) geöffnet.

1905/6 wurde der Turm erstmals gründlich renoviert. 1908 zog der Bildhauer Hermann Taglang in das zweite Obergeschoss. Nach dem Ersten Weltkrieg war auf der Plattform eine Camera Obscura installiert, mit der die Besucher einen Rundblick über Mannheim genießen konnten. Im Januar 1925 pachtete Franz Schwender den ganzen Turm und betrieb eine Buchhandlung im Erdgeschoss.

1940 übergab das Land per Pachtvertrag den Turm an die Stadt Mannheim. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Sternwarte relativ unbeschadet.
Im Dezember 1957 beschloss die Stadt die Wiederinstandsetzung und die Nutzung des Gebäudes zu einem Atelierturm. Nach der Renovierung 1958 wurde der ehemalige Beobachtungssaal im zweiten Obergeschoss in zwei Geschosse unterteilt. Dadurch bekam der Atelierturm ein weiteres Stockwerk.

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