Biografisches
Grenzgänger
Edgar Schmandt war ein Grenzgänger zwischen figürlicher und abstrakter Malerei, aber auch ein begabter Musiker, Schriftsteller und Dichter. Und wie sich bei der Sichtung seines Nachlasses erst jetzt herausstellte, auch ein origineller und witziger Illustrator und Grafiker. Er gehörte zur ersten Generation Mannheimer Künstlerinnen und Künstler der Nachkriegszeit.
Entscheidung zwischen Musik und Malerei
Edgar Schmandt wurde am 12. Januar 1929 in Berlin geboren. Noch in den letzten Kriegsjahren begann er eine Ausbildung zum Retuscheur und dann ab 1945 zum Baumaler, aber er besuchte auch die Meisterschule für das Buchgewerbe. Er studierte dann an der Hochschule für angewandte Kunst, Berlin, und danach bis 1951 an der Hochschule für bildende Künste, Berlin, bei Carl Hofer, Hans Orlowski und Will Grohmann. Zeitgleich studierte er Geige an der Städtischen Musikschule und wusste lange nicht, welchen Beruf er ergreifen sollte.
1956 zog er nach Mannheim, da Paris, die langjährige Welthauptstadt der Kunst, noch wichtig war und sie im Südwesten näher lag. Ein zerrissener Lebensanfang, zwischen den Zonen, denn er wurde 1955 in Ostberlin inhaftiert während der Stalinzeit wegen Verdachts auf Spionage und war noch zwei Jahre im Gefängnis. In Mannheim studierte er bis 1958 noch einmal an der Freien Akademie.
Im Laufe seines künstlerischen Lebens erhielt Edgar Schmandt fast alle wichtigen Stipendien seiner Generation: Stipendium der Universität Italiana, Perugia, Stipendium Villa Massimo, Rom, Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg, Gastkünstler der Villa Romana, Florenz, Stipendium Cité International des Arts, Paris, auch Preise, den 3. Preis für Wandgestaltung, Staatsbibliothek Berlin, Erich-Heckel-Preis des Künstlerbundes Baden-Württemberg u. a.
In der Alten Sternwarte übernimmt er 1963 das Atelier im 5. OG von Hans Nagel. Er nutzt das Atelier bis zu seinem Tod im Juli 2019. Die Künstlernachlässe Mannheim betreuen seinen Nachlass.
Zur Malerei
1966 hatte Schmandt seine erste Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim. Zu Beginn beschäftigte ihn das Thema des Torsos, der Figur ohne Kopf und Gliedmaßen, spricht natürlich immer auch die Grausamkeit des Krieges an. Aber auch das darf man nicht vergessen, die große und erste Ausstellung in Deutschland von Francis Bacon 1962 in der Kunsthalle Mannheim, die Heinz Fuchs ausrichtete und die Spuren hinterlassen hat in der Region.
Und ähnlich wie Bacon interessiert Edgar Schmandt nicht nur das Thema, sondern vor allem die Komposition, die Farbigkeit, die Art der Darstellbarkeit des Schreckens. Dafür spricht auch unser Beispiel hier.
Symbole als Motiv
Edgar Schmandt war aber auch in die Welt der Symbole unterwegs. Er reist nach Island und England und studiert die archaischen Zeichen der nordischen Mythologie. Die Bedeutung der Runenschrift und Symbole des Werdens, Seins und Vergehens. In seinem Mannheimer Atelier baut er den gesammelten Formenschatz - Sonnenräder, Spiralen und Mäander - schließlich zu verschlüsselten Motiven zusammen. Auf mehreren Leinwänden lässt er zeitlose Zeichen über düstere Malgründe wandern. Geheimnisvolle Bilder entstehen so, die er im Mai 1966 schließlich auch in der Mannheimer Kunsthalle zeigen kann.
Phänotypen
In den 1970er Jahren behandelt Edgar Schmandt viele neue Themen, die für ihn immer wesentlicher wurden: die Naturwissenschaften, die Soziologie und die Philosophie. Er hat sein ganzes Leben viel gelesen und gerne leidenschaftlich diskutiert.
Im Titel ist mit Phänotyp das Erscheinungsbild in der Genetik angesprochen, die Menge aller Merkmale eines Organismus. Das bezieht sich nicht nur auf morphologische, sondern auch auf physiologische Eigenschaften und sogar auf Verhaltensmerkmale. Der Phänotyp wird durch das Zusammenwirken von Erbanlagen und Umweltfaktoren bestimmt.
In diese Zeit fallen auch seine Serien double bind (1970-71), Schizothym (1971) und Suizidversuch (1970-72).
In der Arbeit Condottiere Francesco Sforza, 1977, zeigt sich der Einfluss des Rom-Stipendiums, das ihn dazu veranlasst, sich mit der Geschichte der Sforza zu beschäftigen wie in Paris mit dem Marais. Edgar Schmandt war ein offener interessierter, neugieriger Künstler. Der Marais ist ein besonderes und sehr ursprüngliches Viertel von Paris, das der Künstler in großen Serien erforscht hat.
Aber generell ist ihm immer der Hintergrund wichtig: Eine Serie zum Thema Geld und Glückspiel zeigt erneut seine konzeptuelle Herangehensweise, die vor der Trivialität von Alltagskunst nicht halt macht. Auch das große Glück wird angesprochen durch Tarotkarten oder Symbole, die es bezeichnen, wie etwa die Schlange. Lustig auch der Verweis auf die Zeit: etwa die Glücksspirale, ein Gewinnspiel, das es seit den 1990er Jahren gibt und das immer wieder hohe Gewinne ausschüttet.
Landkarten
2000 findet Schmandt Schullandkarten als Maluntergrund, die berühmten Diercke-Landkarten, die eine ganz Generation von Schülern kannte, auf die er seine von Krieg und Landnahme erzählenden Themen aufträgt. In der Mannheimer Galerie Angelo Falzone wurden dann diese Motive, die man unter der Malerei noch erkennen kann, 2001 ausgestellt, insgesamt 14 Exemplare.
Arbeiten für Prinzhorn
Der Künstler befindet sich mit diesen Arbeiten bewusst am Rande der Gesellschaft und unternimmt in diesem Experiment labyrinthische Fahrten ins Innere. Es handelt sich aber auch immer um die Identifikation des bildenden Künstlers mit den Wahnsinnigen. Von alters her, aber mindestens seit dem Arzt Hans Prinzhorn (Bildnerei der Geisteskranken, Berlin 1922) wird die Begeisterung der Bildenden Künstler für die "Irren" deutlich: Alfred Kubin, Paul Klee, Max Ernst oder Pablo Picasso ließen sich von den Patientenwerken faszinieren und inspirieren.
Schmandt behandelte dieses Thema in dem berühmten Schweinfurter Grün. Schweinfurter Grün fand zuerst im 19. Jahrhundert als Malfarbe Verwendung, es wurde wegen seiner Farbintensität und Lichtechtheit sehr geschätzt. Allerdings war seine Giftigkeit auch schon früh bekannt, da es aus Kupfer und Arsen bestand. Edgar Schmandt hat übrigens fast alle Werke dieser Serie der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg vermacht.
Kunst am Bau und Werbegrafik
In den 1960er Jahren konnte Edgar Schmandt auch einige Entwürfe für Gebäude verwirklichen. Damals galt das sogenannte "Kunst-am-Bau-Gesetz", bei dem 1% der Bauauftragssumme für öffentliche Gebäude für Werke bildender Künstler vorgesehen war. Beim Wiederaufbau der zerstörten Stadt Mannheim bot dies vielen Künstlern bis weit in die 1980er Jahre hinein einen guten Nebenverdienst.
Literatur
In teils bissigen Gedichten und ironischen Fragmenten äußerte sich der Künstler früh schon literarisch. Häufig im Selbstverlag gab er in den 1950er bis 1970er Jahren seine poetischen, häufig auch selbst illustrierten Texte heraus. Später interessierten sich vor allem Mannheimer und Heidelberger Verlage für sein literarisches Werk.